Mittel zum Zweck

Jeweils im Herbst an der Chilbi pries er seine süssen Waren an. Zu jedem Kauf, rief er: «…gibt’s einen Ballon gratis dazu». Natürlich drängte ich meine Mutter zu diesem Stand. Dass die hübschen Ballons, mit aufgemalten Katzen, Hunden und Schweinen, einem simplen Verkaufstrick dienten, ahnte ich nicht.

Mit Gratisprodukten Geld zu verdienen, ist ein gängiges Geschäftsmodell. Der Erfinder King Gillette legte zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Grundstein dafür, als er seine Nassrasierer den Kunden verschenkte, die dazu notwendigen Klingen aber verkaufte. Heute verschenken Mobiltelefonanbieter das Telefon, binden als Gegengeschäft den Kunden mit langjährigen Abonnements.

Weshalb dieses Geschäft funktioniert, belegen Experimente. Angesichts von Schlüsselreizen wie «gratis» oder «halber Preis» bringen Menschen nicht mehr die einfachste Rechenleistung zustande, unmittelbare ­gegen langfristige Kosten abzuwägen. Bei Franken 0.00 reagiert der Mensch irrational.

Den Trend zu immer mehr Gratis verdanken wir dem Internet. Internetsuche, E-Mail-Accounts, Computer-Betriebssysteme – wer wollte dafür heute noch bezahlen? Für Chris Anderson, Chefredaktor des Trendmagazins «Wired», ist das alles erst der Anfang einer Revolution, für ihn steht fest: «Die Zukunft der Wirtschaft heisst gratis.»

Das Internet perfektioniert, womit die Medienbranche seit Jahrzehnten ihr Geld verdiente: über die Drittpartei, die Werbung. Dass ausgerechnet eine Gratiszeitung in der Schweiz den etablierten Blättern den Kampf ansagen sollte, damit rechnete niemand. Wir liefern erstmals die Hintergründe dieses historischen Feldzugs.

Bewegen wir uns bald in einer Gratiswelt? Wohl kaum, da es nach wie vor auf Erden nichts umsonst gibt. Zum Glück der unbeschwerten Kindheit gehört es, das eben nicht zu wissen. Und so freute ich mich über einen Ballon – auch wenn er nur Mittel zum Zweck war und zwei Tage später als schrumpeliges Kätzchen in der Zimmerecke welkte.