"Da bleibt dir die Spucke weg" (NZZ Folio)


Erich bleibt draussen. Unzählige Male ist er schon in der Cheopspyramide herumgekraxelt, aber mit 84 Jahren auf den Knien durch die schmalen Gänge «muss nicht mehr sein», sagt er. Eine Stunde lang gehört die Pyramide von Dänikens Reisegruppe allein. Erich hat das ermöglicht, mit Beziehungen und 2000 Dollar Trinkgeld. Diana möchte als letzte hinein, möglich, dass sie Platzangst befalle. Kaum verschluckt, tauchen Neonröhren die engen Gänge in schummriges Licht. Doch statt Beklemmung spürt Diana eine «starke Energie», als würden ihre Beine «wie von Geisterhand» nach links gezogen.

In der Königskammer angekommen, stützt sie sich auf den Rand des leeren Sarkophags, der einsam in der Ecke steht. Ein Monument aus schwarzem Granit. «Ein Transmitter», stellt sie richtig. Ihre Locken wippen, als sie zum Sprung hinein ansetzt. Die Aufsicht ruft: «No, no.»

Einen Tag zuvor hat sich die Gruppe auf dem Flughafen in Frankfurt getroffen. Erich von Däniken, zwischen den Beinen ein Rollköfferchen, sitzt in der Wartezone von Gate 22. Sein Tschopen fällt schwer über die Schultern, die Ärmel zu lang, als wäre er auf Vorrat gekauft, sollte von Däniken eines Tages noch hineinwachsen. Nicht, dass er das nötig hätte: Für seine vierzig zahlenden Gäste aus Deutschland und der Schweiz ist der 1 Meter 64 kleine von Däniken ein Halbgott. Hier ist er wahrhaftig und reicht jedem die Hand: «Ich bin der Erich – und wer bist du?»

Zehn Tage ist die Gruppe unterwegs. Kaum im Internet ausgeschrieben, war die Reise ausgebucht. Jeder wollte noch mal mit, «bevor Erich tot ist», analysiert Ramon Zürcher den Andrang. Ramon ist Erichs Sekretär. Dieses Jahr ist sein Chef bereits zum zweiten Mal in Nordafrika. Im Herbst geht es dann wieder zu den Nazca-Linien in Peru. Der 36jährige Ramon nennt sich lieber Manager. Um den Hals ein grosser, in Leder gebundener Türkis. Auf dem Kopf ein dunkelbrauner Cowboyhut, an dessen Krempe sechs goldene Abzeichen stecken. Fünf stehen für Ausgrabungsstätten vom Mittelmeerraum bis Südamerika. Das sechste ist das Zeichen der A.A.S., der Gemeinschaft für Archäologie, Astronautik und Seti – Search for extraterrestrial Intelligence. Erich leitet die A.A.S. seit 46 Jahren, um Gleichgesinnte zusammenzuführen. Womit wir mitten im Thema sind: Das Zeichen der A.A.S. stammt aus der Zeit zwischen 100 und 1000 n.Chr. und wird von den Archäologen für ein fischartiges Wesen gehalten. Für Erich, den Urvater der Präastronautik, ist es das Modell eines Flugzeugs und damit der Beweis dafür, dass Ausserirdische die Erde besucht haben und unsere Geschichte beeinflussten. Die Pyramiden, Stonehenge, die Steinmonumente der Osterinseln: ohne das Wissen und Know-how höherentwickelter Spezies undenkbar, weiss Erich.

Hunderttausende Kilometer hat er zurückgelegt, um Felszeichnungen zu sichten, die «eindeutig» Ausserirdische darstellen, um Sarkophage zu betrachten, die «unmöglich» ohne Hightechwerkzeug aus der Ideenkiste fremder Galaxien zustande gekommen sein können.

Sein Lebenswerk gebar von Däniken im Internat eines Jesuitenordens. Die biblischen Erzählungen erschienen ihm zu unwahrscheinlich, bis er im Alten Testament über die Visionen des Propheten Hesekiel stolperte. «Lies das, da fällt dir die Kappe runter!» Von da an ergab alles Sinn: Hesekiel hatte Ausserirdische gesichtet, war von ihnen desinfiziert und in einen Raumanzug gesteckt worden. Von Däniken kämmte nicht nur die Bibel durch, er deutete auch die Berichte der Sumerer und Mayas neu. Aus Engeln und Göttern wurden Ausserirdische. 1968 veröffentlichte er das Buch «Erinnerungen an die Zukunft». Es wurde ein Welterfolg. Selbst Astronauten stellten es sich ins Regal: «Signier mir dein millionstes Buch», bat ihn Buzz Aldrin bei einer Veranstaltung in den USA. «Was bekomme ich dafür?» fragte Erich den Mann, der als zweiter Mensch auf dem Mond stand. Seither trägt er seine Uhr. Es folgten weitere 40 Bücher, übersetzt in 32 Sprachen, die sich über 60 Millionen Mal verkauften. Von Däniken ist ein Superstar, auch wenn ihn manch einer in der Heimat belächelt.

Für Thomas unvorstellbar. Der 36jährige Werkzeugmacher bekam Erichs Weltbild mit der Muttermilch gereicht. Zu gerne wären auch seine Eltern hier und nicht «dahääm» in der Pfalz. Aber finanziell lag das nicht drin.

Diana, Mitte 40, aus dem Kanton Bern, wird sich der Gruppe mit den Worten «Ich bin Schamanin und hatte in Indien eine Sichtung» vorstellen. Schon immer spürte und sah sie mehr als andere. Sie hofft, dass sie hier verstanden wird – zumindest ein wenig.

Tim, 30, und Mirko, 37, Baufinanzierer aus dem Ruhrpott, machen einen Kerle-Ausflug. Ihre Safari-Hemden sitzen satt auf den durchtrainierten Oberkörpern. «Erich muss man mal erlebt haben», sagen sie.

Zahnärztin Marion, um die 60, sucht ihren «Puschel». Kurz darauf kommt Harald, Zahnarzt und Heilpraktiker, und beruhigt: «Ja, Mausi, ich bin da.»

René, 81, aus dem Kanton Aargau, stellt sich als Doktor der Naturwissenschaften vor. Zu vieles liesse sich nicht logisch erklären, darum diese Reise.

Erich bleibt mit 84 Jahren der Gruppenälteste. Der Jüngste ist der 16jährige Amedeo aus dem Kanton Freiburg, der mit einem Freund der Familie hier ist. Er bekam schulfrei unter der Bedingung, dass er daheim einen Vortrag über das Erlebte halte.

Eine Journalistin mitreisen zu lassen ist mutig. Natürlich weiss Erich schon jetzt, was auf ihn zukommt: Einem Däniken glauben, «das dürft ihr doch gar nicht». Die Presse hat sich auf ihn eingeschossen, seit das Nachrichtenmagazin «Spiegel» 1973 mit dem Titel «Der Däniken-Schwindel» aufmachte. Nie zuvor hatte es so etwas gegeben: einen Hotelier, der phantastische Geschichten zu schreiben begann, sie als Wahrheit verkaufte, eine Dänikitis auslöste, die sich wie eine Epidemie weltweit ausbreitete. Nichts half gegen den Däniken-Wahn. Und schon gar keine wissenschaftlich fundierte Kritik. So fragte sich der «Spiegel»: Warum ausgerechnet von Däniken der Weltruhm gelang, der anderen versagt blieb – obwohl sie dasselbe Feld beackerten? War von Däniken ein brillanter Geschäftsmann? Ein Paranoider, der auf eine Gesellschaft mit paranoiden Zügen traf? Knapp fünfzig Jahre später stellt sich die Frage noch immer.

Gewohnt wird Fünf-Stern. «Da meckert keiner herum», sagt Erich. Früher taten es auch einfachere Hotels, aber jetzt mag auch er die Betten weicher.

Im Speisesaal sind die Tische in Konferenzbestuhlung angeordnet, so kann jeder jeden sehen, jeder mit jedem sprechen. Auf dem Buffet stehen Platten mit Hühnchen in Zwiebelsauce, Lammschenkel und Kartoffeln. Erich holt sich eine Suppe. Beim Gehen ein leichtes Wackeln, was Hüften über 80 mit sich bringen. Das Gesicht aber ist faltenfrei, die Haare sauber gescheitelt. Dann pfeffert er, bis die Tomatencrème unter einem Berg verschwindet. «Wer so viel raucht, verliert den Geschmackssinn», erklärt Ramon. Ramon verwaltet die Zigaretten. «Gibt mir mal eine rüber», sagt Erich nach der Vorspeise. «In diesem Land darf man fast nichts – aber dafür überall rauchen.» Rauchen habe ihn gesund gehalten. Ebenso sein täglicher Scotch. Johnny Walker Black Label. Es soll Reisen gegeben haben, da durfte nur in den Flieger, wer sich am Flughafen eine Flasche kaufte, um sie in den kommenden Tagen mit Erich zu leeren.

Ramon hat den Arm auf die Stuhllehne seines Chefs gelegt. «Freund, Götti», berichtigt Ramon. Erich und Ramon kennen sich seit über zwanzig Jahren. Ihn einzustellen war ein Glücksfall. Ramon ist geerdet und fleissiger als alle, die sonst bei ihm im Büro sassen. Ramon bereitet sich schon mit eigenen Reisen auf ein Leben nach Erich vor. Titel: «Auf den Spuren Erich von Dänikens».

Bis es so weit ist, gehört der Saal aber seinem Mentor. Mit kräftiger Stimme durchbricht der die Tischgespräche – er erzähle jetzt mal einen Witz «damit wir uns besser kennenlernen». Das wird er täglich tun, stets morgens im Bus. Viele der Witze kennt Erich aus dem «Playboy». Auch den mit den schwulen grünen Männchen und dem Busfahrer. Von Dänikens Blick trifft intensiv, bevor er abschweift, meist nach unten – oft ins Leere. Dann redet er sich in Trance, spricht immer zu schnell, aber deutlich artikuliert, die Atmung rastlos. Er erhebt sich und geht zu seinen Gästen, klopft hier eine Schulter, spricht da ein aufmunterndes Wort. Mausi lacht. Tim ordert noch ein Bier. Amedeo ist verzaubert. Gegen so viel menschliche Wärme kommt keine Klimaanlage an.

Für Thomas hat sich jetzt schon «jeder Cent gelohnt». Der Werkzeugmacher hat über 5000 Euro bezahlt, plus 1000 Euro Einzelzimmerzuschlag. Gruppenreisen, Bestseller, Filme: Däniken müsste im Laufe der Jahre ein reicher Mann geworden sein. «Mit Geld konnte ich nie umgehen», sagt er. Was er einnehme, investiere er in Reisen und Forschung. Sein Mystery Park in Interlaken schloss nach drei Jahren die Tore. Was erfolgreich begann, endete im Hochwasser. Der Park ging konkurs, von Däniken verlor fast eine Million. Wenn er daheim im Berner Oberland ist, zieht er sich in sein Chalet auf dem Beatenberg zurück. Oft ist das nicht. Seine Frau Elisabeth hat sich längst daran gewöhnt, ein eigenes Leben führen zu müssen. Auch wenn er ihr immer wieder verspreche – «irgendwann habe ich mal Zeit für uns».

Statt um Elisabeth kümmert er sich am nächsten Morgen erneut um seine Gäste. Die sollen beim Aussteigen aus dem Bus zu den im Wüstensand lauernden Händlern vor allem eins sagen: «no, thank you». Dann dürfen sie raus aufs Gizeh-Plateau. Ägypten gehört zu Erichs Lieblingszielen. Hier sieht er deutlich, «dass keine wissenschaftliche Erklärung meinen kritischen Fragen standhalten kann». Mit welchen Hilfsmitteln wurden in der Cheopspyramide Gänge und Räume angelegt? Warum gibt es keine Inschrift, die den Erbauer dieses Meisterwerks preist? Ist es Zufall, dass die Höhe des Weltwunders – mit einer Milliarde multipliziert – annähernd der Distanz zwischen Sonne und Erde entspricht?

Tims Brust zieren Tattoos von Engelsflügeln. Auf der Wade gönnt sich ein Star-Wars-Sturmtrooper einen Whiskey. Mirko könnte mit seinem Outfit jeden Afghanistan-Einsatz bestreiten. Mausi posiert, kaum hat sie die letzten Stufen aus dem Reisebus genommen, mit einem Verkäufer: «My friend», lacht sie. Mausi war schon als junge Frau von Erichs Ideen angetan. Die kannte sie aus dem Kino. Drei Abende lief in Ostberlin «Erinnerungen an die Zukunft», dann verbot das DDR-Regime den Film.

Erich setzt sich auf einen Stein unweit der Cheopspyramide. Er weiss, dass sie viel älter ist, «als die Forschung zugibt». Vor der Sintflut sei sie entstanden. Nach Bauplänen von Ausserirdischen. Die Pyramide diene der Lagerung wichtiger Schriften, die dem Erbauer überhaupt das Wissen ermöglich hätten, so etwas Grossartiges zu errichten. «Finden wir die Schriften, haben wir die Lösung», sagt Erich. Und nicht nur das. Erich wäre rehabilitiert. Sein Lebenswerk anerkannt. Beinahe wünschte man es ihm, der sich in dieser Hitze quält, um sich zu erklären, während Gleichaltrige daheim im Altersheim einen Jass klopfen. Erich kramt sein Taschentuch aus dem Hosensack und wischt sich die Schweissperlen von den Schläfen. Man müsste es sich wünschen, sagt Erich mit fester Stimme. «Die Religionen würden ihren Gott verlieren. Es lohnte sich nicht mehr, um etwas zu kämpfen, was es gar nicht gibt. Hätten wir Kontakt mit Ausserirdischen, würde Religion keine Rolle mehr spielen. Rassismus und Rechthaberei hätten ein Ende.» Doch unglücklicherweise lagern seine Beweise immer in irgendeinem Weltkulturerbe. Da darf nicht jeder mit der Schaufel ran.

Beim Mittagessen mit Blick auf die Sphinx ist sich Amedeo sicher, bereits genügend Material für den Vortrag zu haben. Erich diskutiert am Nachbartisch mit René. Ein «blitzgescheiter» Physiker, lobt Erich den weisshaarigen Herrn im Leinenhemd. René ist mit seiner Frau gereist, einer Heilerin. Tim und Mirko überreden Erich zu einem gemeinsamen Foto. Dann will jeder mal. Erich setzt sich auf ein Mäuerchen, im Hintergrund bröckeln Sphinx und Pyramiden wie trockene Kekse vor sich hin. «Solange ich nicht aufstehen muss, ist mir alles recht», sagt Erich und zieht die Mundwinkel zu einem Lächeln auseinander. Mausi legt den Arm über seine Schulter, Amedeo verharrt andächtig. Zum Abschluss gibt es ein Gruppenbild, das vor dem Reisebus für 2 Dollar gekauft werden kann.

Im Bus sitze ich neben Thomas aus der Pfalz. Weiter vorne sitzen nur Erich, ein Reiseleiter und ein bewaffneter Sicherheitsbeamter, der friedlich schläft.

«Glaubst du an Ausserirdische?» frage ich Thomas.

«Sicher, die sind sogar unter uns.»

«Wie sehen die denn aus?»

«Uns nicht unähnlich. Abgesehen von den kleinen Grauen.»

«Kleine Graue?»

«Die man aus den Filmen kennt.»

«Wie viele Typen gibt es?»

«Drei. Die Grauen, die echsenartigen und die menschenähnlichen.»

«Hast du welche gesehen?»

«Nein.»

«Und Ufos?»

«Leider auch nicht.»

Da geht es ihm wie Erich. Diana aber hatte schon mehrere Sichtungen, Ramon auch. Von den 40 Teilnehmern der Reise haben 7, also überraschend wenige, Unbekanntes im Himmel entdeckt. Überraschend oft aber sind sie beruflich im Bereich Heilung daheim. Ramon relativiert, dass er im Büro in Interlaken immer wieder «ganz normale Leute» am Hörer habe: Architekten, Ärzte, die ihm von ihren Ufo-Erfahrungen erzählen. Man sei so etwas wie die Dargebotene Hand für Unverstandene. «Absichtlich lächerlich gemachte», ergänzt Erich und zitiert einen Bericht des CIA aus den 1950er Jahren, der belege, dass Personen, die Sichtungen hatten, ins lächerliche gezogen werden sollten. Er verweist auf die Nasa, wo Erich viele kennt und immer mal wieder im kleinen Kreis diskutiert. Gerade im Alter sprechen dort ehemalige Angestellte oft über «die Wahrheit». So war Edgar Mitchell, der als Pilot die «Apollo 14»-Crew zum Mond steuerte, bis zu seinem Tod überzeugt, dass Aliens die Menschheit observiert hätten. Auch Erichs Uhren-Freund Buzz Aldrin hatte Begegnungen der dritten Art. Möglich ist alles. Doch Skeptiker führen ins Feld, dass die hohe Strahlenbelastung und die Schwerelosigkeit, denen sich Astronauten im All aussetzen, nicht immer folgenlos bleibe. Unter anderem verschlechtert sich die Sehkraft rapide, ausgelöst durch Druckveränderungen in der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit.

Auf Erichs Reise wird keiner diskriminiert – wer nie ein Ufo gesehen hat, wird ebenso ernst genommen wie die sieben anderen. Wer Erichs Theorien anzweifelt, darf dennoch miträtseln. Denn auch für Fans sind seine Vorschläge mitunter etwas gewagt.

In den Gräberfeldern von Sakkara hat Erich das Serapeum im Visier. Auf dem Tierfriedhof, so die Lehrmeinung, wurden heilige Apis-Stiere bestattet. «Totaler Seich», schimpft Erich und geht voran. Nie sei ein Stier gefunden worden. Erich vermutet in den Sarkophagen Mischwesen. Pferd-Mensch. Krokodil-Vogel. Weiss der Geier. «Gen-Experimente von Ausserirdischen an irdischen Wesen.» Etwas, das den Aufwand wert war, solch gigantische Sarkophage «in dieses Loch zu schleppen».

In der über 100 Meter langen Anlage postiert sich Erich neben einem der tonnenschweren Granitbehälter. «Wir haben das Endlager gefunden», ruft Mirko. Tim verschwindet in einer Nische. Diana entdeckt auf ihren Fotos «starke Energiefelder». Erich spricht ins Leere: «Das überschlägt dich hier. Mit Steinzeitwerkzeug wollen die das gemacht haben. Unmöglich.» Amedeo geht an Erich vorbei. «Schau, junger Mann. Keiner macht sich so eine Arbeit, um dann nur zerhackte Stierknochen reinzuschmeissen. Etwas ist uns entgangen.» René stellt sich zu ihm. «Du bist Physiker – schau dir den Schliff des Deckels an. Da bleibt dir die Spucke weg!»

An Ramons Hosenbund hängen Kamera und Taschenlampe. Geigerzähler, Mikrowellen-Messgerät und Laser-Messband balanciert er in seinen Händen. Anders als bei gewöhnlichen Touristengruppen wird hier nachgemessen. Ramon erklimmt einen Sarkophag. Mirko soll ihm mit dem Laser helfen. Länge. Höhe. Breite. Volumen. Natürlich haben das Archäologen vor ihnen getan. Aber Kontrolle ist besser. Mausi schaut von aussen zu. «Magst du auch rein?» fragt Mirko und schlägt eine Räuberleiter vor. Mausi will nicht.

Erich lehnt noch immer an der Brüstung und spricht: «Mit einer DNA-Probe könnte ich die Mischwesen beweisen.» Aber er komme an das Zeug nicht ran. «Noch nicht.» Andere geben nach 1001 Nacht auf. Nicht aber Erich. Er will Ordnung in die Geschichtsschreibung bringen. Jeden Tag. Seit über 50 Jahren. Wie ein Besessener.

Ein Uhr morgens in der Bar. Erichs Augen glänzen – das mag am Alter liegen. Oder am Rauch. Vor allem aber ist es Rührung. Frank Sinatra singt «I did it my way». Tim und Mirko haben den Song für Erich ausgesucht. Schüler, Heilerin, Baufinanzierer halten sich an den Schultern, schunkeln und singen. Da zeigt Erich, die Zigarette in der Hand, auf sich, und ruft laut dazwischen: «Ich tat’s auf meine Art.»


Von Gudrun Sachse, erschienen im NZZ Folio "Ausserirdische", 2019. 


Im monatlichen Podcast «NZZ-Folio fragt nach» erzählt Gudrun Sachse, was sie bei ihrer Reportage in Ägypten erlebt hat. Das Gespräch findet man auf der Podcast-Website der NZZ: nzz.ch/podcast.